Im Binnenland entstehen die Design-Strategien für gute Corporate-Schriften
Im Zuge der Fusion von Burkhalter und Poenina hat HI Schweiz ein Multibrandsystem für 90 Unternehmen erarbeitet. In diesem Zusammenhang ist auf der Ebene der visuellen Kommunikation das Bedürfnis nach einer gemeinsamen Erkennbarkeit und typografischen Sprache entstanden. Die Agentur hat in Zusammenarbeit mit den Typedesignern und Schriftspezialisten von «Binnenland» eine Corporate Typeface für die gesamte Burkhalter Gruppe erarbeitet. Diese wird ab 2024 stufenweise in allen Unternehmensbereichen implementiert. Im Gespräch mit Dani Klauser, Creative Director bei HI Schweiz, geben Mika Mischler und Nik Thoenen Einblick in die Entwicklung.
Wie seid ihr zum Typedesign gekommen? Wieso interessiert ihr euch im Bereich der visuellen Kommunikation für Schriften und Schriftsysteme?
Wir haben beide die Schule für Gestaltung in Biel besucht. Erst einige Jahre nach unserem Abschluss haben wir durch eine Arbeit an einer Publikation über Typografie unser starkes gemeinsames Interesse und Verständnis für Schriftgestaltung entdeckt. Typografie war immer ein zentrales Thema, auch bereits früher bei unseren grafischen Gestaltungsarbeiten. Damals sind die ersten Schriftentwürfe entstanden. Diese waren ganz rudimentär und nur für ein gezieltes Produkt gedacht, wurden aber später zum Teil zu einem wirklichen Schriftsatz ausgebaut.
Wie ist eure Herangehensweise bei den Typedesign-Projekten?
Die Herangehensweise ist je nach Projekt unterschiedlich. Uns fällt immer wieder auf, dass die Suche nach einer Idee oder die Intention zentrale Aspekte bei der Erarbeitung einer Schrift sind. Manchmal ist diese Vorstellung schon zu Beginn ganz klar vorhanden, manchmal entwickelt und vertieft sich diese über die Recherché oder den Arbeitsprozess. Es ist eine Art Aktivierung für eine zielgerichtete Aufmerksamkeit und schärft unser Bewusstsein dazu, welche Eigenarten wir bei einer entstehenden Schrift verfolgen wollen – aber natürlich ist das auch für viele Entscheidungen während des Gestaltungsprozesses hilfreich.
Was macht eurer Meinung nach eine gute Corporate Typeface aus?
Wenn die Schrift in ihrem Charakter das Unternehmen widerspiegelt, sich in dem Corporate Design integriert und sie in den unterschiedlichen Medien als Informationsträger funktioniert.
Zudem empfinden wir die Detailmomente einer Schrift als sehr wichtig. Sie müssen überzeugen und in einer gewissen Weise raffiniert gelöst sein. Natürlich sind auch die zur Verfügung stehenden Schriftschnitte massgeblich, die auf das typografische Konzept abgestimmt sind.
Was ist besonders speziell an der Burkhalter Typeface? Wie habt ihr die Burkhalter Typeface erarbeitet?
Die Zusammenarbeit mit HI Schweiz und dem Kunden sehen wir als zentralen Moment bei der Erarbeitung der Typeface. Es geht hier nicht darum, eine eigene individuelle Vision für eine Schrift zu entwickeln, sondern über den Verbund der beteiligten Personen und den Austausch das einzufangen, was für das Unternehmen das Richtige ist. Wir als Typedesigner sind nur ein Puzzleteil und versuchen, unsere Expertise aus der Sicht der Funktion des Schriftprodukts einzubringen. Das heisst, unsere Empfehlungen zielen immer auf die Lesbarkeit und eine breit einsetzbare Schrift ab. Alles andere würde sich für die spätere Nutzung als schwierig erweisen.
Bezogen auf die Burkhalter-Schrift war es die Reaktion auf eine bestehende Situation, die wir analysierten, um dadurch die verschiedenen Möglichkeiten abzuwägen. Während dieses Prozesses stellte sich immer wieder die Frage, wie weit wir uns von Gegebenheiten entfernen können, damit die Referenz doch weiterhin visuell spürbar bleibt. Dies war für uns eine reizvolle gestalterische Situation. Die Untersuchungen waren sehr formal: Zum Beispiel stellte sich die Frage, wie humanistische Formen neu interpretiert werden können, um einen individuellen Charakter der Schrift zu erreichen. Das ist ein sehr enges Spielfeld, von dem wir hier sprechen. Es zeigt sich beispielsweise, wie offen eine Abschluss- oder Einlaufform gestaltet ist oder wie dynamisch die Schriftzeichen gezeichnet sind. Und nicht zuletzt waren es die Untersuchungen mit den unterschiedlichen Zeichenbreiten, die vorgenommen werden mussten, um einen stimmigen Rhythmus zu finden. Das ist ein wichtiger Bestandteil von der Art und Weise, wie sich die gewünschte Anmutung im späteren Schriftbild widerspiegelt.
In Bezug auf die Arbeitsweise war es so, dass wir in diesem Projekt ausschliesslich digital gearbeitet haben. Die Skizze diente lediglich als Austauschgrundlage von Ideen und zum Festhalten von Korrekturen oder Besprochenem. Diese digitale Arbeitsweise war für uns die Verbindung zur technischen Komponente von Burkhalter.
Beruflich seid ihr zu zweit unterwegs. Wie funktioniert bei euch die Teamarbeit, wenn ihr an einer Schrift arbeitet? Habt ihr unterschiedliche Rollen?
Nach all den Jahren gibt es schon so was wie Rollenverteilungen, aber wir haben diese nie definiert oder beschlossen. Unser Arbeitsprozess ist offen gestaltet. Wir kennen beide die jeweiligen Stärken oder Schwächen des anderen. Immer wieder sind wir positiv überrascht, wenn wir das Material untereinander austauschen, was jedenfalls im Entwurfsprozess bei Entscheidungen weiterhelfen kann.
Wie arbeitet ihr mit euren Kunden zusammen? Worauf achtet ihr besonders?
Wir versuchen immer, den Kunden in den Prozess miteinzubeziehen. So war es bei Burkhalter und auch bei den anderen Custom-Projekten. Nach intensivem Austausch ziehen wir uns oft ins Binnenland zurück, um dort unterschiedliche Design-Strategien für die Schrift zu entwickeln. Diese werden dann wertfrei wieder dem Kunden vorgestellt, um einen weiteren Diskurs einleiten zu können. Oft hilft es, über visuell vorliegendes Material zu sprechen, da Vorstellungen von einer Sache unterschiedlich sein können.
Wir verstehen uns als wichtiger Teil bei der Erarbeitung einer neuen Positionierung und Design-Strategie für ein Unternehmen. Die Schrift stellt ein zentrales Element der visuellen Kommunikation sowie des Corporate Designs dar. Je früher wir miteinbezogen werden, desto besser können wir Möglichkeiten aufzeigen, an die vielleicht nicht gedacht wurden. Ausserdem können wir ein Gespür dafür entwickeln, was das für den Charakter der Schrift bedeuten könnte.